DAS FRANKFURTER
SONOPTIKUM 1990
DIE MUSIK EINES JAHRHUNDERTS Konzerte
– Theater – Performance - Ausstellung
Donnerstag 6. bis Sonntag 9. September 1990
Eine Veranstaltung der Alten Oper Frankfurt im Rahmen der „Frankfurt
Feste“ Konzeption und künstlerische
Gesamtleitung: Armin Brunner Das
1. Frankfurter Sonoptikum kam auf Anregung von Rudolf Sailer (Direktor
AOF) und Dieter Rexroth (Frankfurter Feste) zustande.
Das FRANKFURTER SONOPTIKUM beleuchtete das 20. Jahrhundert aus der
Perspektive der musikalischen Koexistenz: Gershwin neben Schönberg,
Strauss neben Strawinskij, Puccini neben Berg, Pärt neben Boulez.
Angeregt durch das filmische Prinzip der Parellelmontage wurde eine
reiche Landschaft verschiedenartigster Konzert- und Veranstaltungsformen
aufgebaut. Sie eröffnete den Besuchern die Chance, die aufregenden
Wandlungen der neuen Musik nachzuerleben. SONOPTIKUM
Die Wortbildung „Sonoptikum“ schillert bewusst mehrdeutig:
einmal macht sie die Assoziation ans „Panoptikum“ frei
(Sammlung von Wachsfiguren; dann „Gesamtschau im Sinne einer
optischen Belehrung“); zum andern verknüpfen sich klingende
(„sonore“) Phänomene mit visuellen („optischen“)
Erscheinungsformen.
|
|
Während der
Probe |
VIER HÖRWEGE
Die verwirrende Pluralität der jüngeren Musikgeschichte,
die sich in der immensen Vielfalt des FRANKFURTER SONOPTIKUMS widerspiegelte,
barg die Gefahr der Verirrens in sich. Daher wurden dem Publikum vier
Hörwege vorgegeben:
GRADUS AN PARNASSUM
Von der „Rhapsody in Blue“ zum „Sacre du printemps“
DIE MITTLERE STRASSE
Bolero (Ravel) – Dreigroschenoper (Weill) – Le Boeuf sur
le Toit (Milhaud)
WECHSELBÄDER
Von der „Carmina Burana“ zum „Pierrot Lunaire“
HÖHENWEG „An Diotima“ (Nono) – Mahler IX
– „Amerique“ (Varese) – „Jeux“
(Debussy)
Mit diesen Hörwegen liessen sich aus den gewaltigen Tonfluten
Sinnzusammenhänge herausdestillieren. Sie machten deutlich, wie
das 20. Jahrhundert einmal stabile Ordnungen ausser Kraft setzte,
wie Dur- und Mollbastionen ins Wanken gerieten und schliesslich in
sich zusammenfielen; wie die explosionsartige Entwicklung einst überschaubares
Terrain in gigantische Labyrinthe verwandelte.
ZUSCHAUER ALS MITSPIELER Die Fülle
der Ereignisse konnte in ihrer Gesamtheit von keinem Einzelnen nachvollzogen
werden. Die Zuhörer mussten sich während den dreieinhalb
Tagen ihr eigenes Programm aus den zahlreichen gleichzeitig stattfindenden
Konzerten und Happenings zusammenstellen. Die Zuhörer und Zuschauer
waren daher immer auch Mitspieler. Im
Grossen Saal der Alten Oper
fanden während des Sonoptikums insgesamt 10 sinfonische Konzerte
statt. (Boulez, Gielen, Segerstam, Gülke, Bamert, Judd, Schuller,
Dutoit u.a.) Im Mozart-Saal der Alten
Oper
fanden während des Sonoptikums insgesamt 14 kammermusikalische
Konzerte und Performances statt. Im
Hindemith-Saal der Alten Oper
fanden während des Sonoptikums insgesamt 12 Veranstaltungen statt.
In den Vestibüls und im Alten Foyer
gab es diverse EXTEMPORES wie:
Am Grab des unbekannten Dirigenten (Ligeti,
Sinfonische Dichtung für 100 Metronome)
|
|
„Am Grab
des
unbekannten Dirigenten“ |
Ein Vortrag über Nichts (Cage)
„Vexations“ von Erik Satie mit über 1000 Durchgängen
Café-Concert (Walzerkonzert mit Bearbeitungen von Schönberg,
Berg und Webern) In den Wandelgängen
der Alten Oper
Ausstellung „Das Bild der Musik“
(Von der traditionellen Notation bis zur Verbalnotation von Musik),
zusammengestellt von Fritz Muggler und Armin Brunner Im
Zelt auf dem Opernplatz
Igor Strawinskij „Die Geschichte vom
Soldaten“ in der Inszenierung von Ruth Berghaus (3 Vorstellungen)
Die 45 Konzerte und Veranstaltungen waren
zu 96% ausgelastet.
EINIGE PROGRAMME DES SONOPTIKUMS 1990
MYTHEN DES JAHRHUNDERTS
Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz / Ensemble Modern
Dirigent: Leif Segerstam
Daniel Chorzempa (Cembalo)
Szene: Gerd Heinz
Carl Orff O Fortuna aus “Carmina
burana”
György Ligeti Continuum für
Cembalo
Mauricio Kagel Marsch, um den Sieg
zu verfehlen
Arthur Honegger Pacific 231
Richard Strauss Olympische Hymne
Mauricio Kagel Ein weiterer Marsch,
um den Sieg zu verfehlen
Igor Strawinskij Alleluia aus „Psalmensinfonie“
Sergej Prokofjew Schlacht aus dem
Eis aus „Alexander Newsky
Krzysztof Penderecki Threnos. Den
Opfern von Hiroshima
Mauricio Kagel Noch ein Marsch, um
den Sieg zu verfehlen)
Carl Orff O Fortuna aus “Carmina
burana”
QUER-DURCH 1
“Wie klang die Welt am 29. Mai 1913?“
Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz / Ensemble Modern
Dirigent: Leif Segerstam
Majella Stockhausen (Klavier)
Präsentation: Hannes J. Friedrichs
Präsentationstexte: Hans Christian Schmidt- Banse
Szene: Gerd Heinz
Igor Strawinskij Sacre du printemps
(1. Teil)
Arnold Schönberg Pierrot lunaire
(Der Mond)
Maurice Ravel Lever de jour (Daphnis
et Cloé)
Max Reger Die Toteninsel (Böcklin-Suite)
Claude Debussy Général
Lavine
Igor Strawinskij Sacre du printemps
(2.Teil)
Arnold Schönberg Klavierstücke
op. 19
Richard Strauss Walzerfolge aus „Der
Rosenkavalier“
Igor Strawinskij Sacre du printemps
(3. Teil)
1913
Wirtschaftskrise erschüttert Deutschland – A la recherche
du temps perdu (Marcel Proust) – Einführung des Fliessbandes
bei Ford – Skandale um Schönberg in Wien und Strawinskij
in Paris – Debussy komponiert „Jeux“
QUER-DURCH 2
“Wie klang die Welt am 31. August 1931?“
Rundfunkorchester Saarbrücken
Volker Banfield (Klavier)
Leitung: Gunther Schuller
Präsentation: Ute Lemper
Präsentationstexte: Hans Christian Schmidt- Banse
Szene: Gerd Heinz
Kurt Weill „Mackie Messer-Song“
(aus „Dreigroschenoper“)
Ottorino Respighi Feste Romane („Circenses“)
Alban Berg Lyrische Suite (Adagio)
Kurt Weill “Salomon-Song”
(aus “Dreigroschenoper”)
Igor Strawinskij Etüde Nr. 4
für Orchester
George Gershwin Rhapsody in Blue
Kurt Weill „Song von der sexuellen
Hörigkeit“ (aus „Dreigroschenoper“)
Dmitri Schostakowitsch Tahiti-Trott
(„Tea for two“)
Anton Webern Sinfonie op. 21
Maurice Ravel Bolero
1928
Penicillin wird entdeckt – Erster Mickey-Mouse-Film –
Fernschreiber erfunden – Erste Fernsehvorführung in Berlin
– „Musikalisches Opfer“ von J.S.Bach uraufgeführt
– 12 Mio Schallplatten von „Sonny Boy“ in nur
vier Wochen verkauft – Janacek stirbt
QUER-DURCH 3
“Wie klang die Welt am 26. August 1969?“
Rundfunkorchester Saarbrücken
Peter Sadlo (Perkussion)
Siegfried Palm (Violoncello)
Leitung: Matthias Bamert
Präsentation: Otto Schily
Präsentationstexte: Hans Christian Schmidt- Banse
Szene: Gerd Heinz
|
|
Otto Schily |
Igor Strawinskij Canon für grosses
Orchester
Hans Werner Henze Ho Chi Minh-Gebet
(für Schlagzeug)
Gustav Mahler Adagietto aus der 5.
Sinfonie
Luciano Berio Chemin IIb
Krzysztof Penderecki Capriccio für
Siegfried Palm
Bernd Alois Zimmermanm Stille und
Umkehr
Dmitri Schostakowitsch “Der
Selbstmörder” und “Auf der Wacht“ (aus der
15. Sinfonie)
Arvo Pärt 3. Sinfonie (1. Satz)
1969
Neil Armstrong betritt den Mond – Woodstock-Festival –
Willy Brandt wird Bundeskanzler – Adorno stirbt – „Tod
in Venedig“ von Visconti – „Sinfonia“ von
Berio – Solschenizyn wird aus Schriftstellerverband ausgeschlossen
– Golda Meir Ministerpräsidentin in Israel
|