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  Interviews


KREATIVITÄT IST EIN GESCHENK
von Dominique Bühler, Zolliker Bote, 20159

PHÖNIXGLEICHES WESEN
Interview in «Musik&Theater», Sept. '08

INTERVIEW
mit Rolf Urs Ringger

ZUSTIMMUNG UND KRITIK
Zum Goethe-Geburtstag
(Frankfurt a.M., 28. August 1999)

WIDERSPRUCH UND ZUSPRUCH
Dietrich Schwarzkopf

WO BIST DU GELANDET?
Von Jürg Acklin (1993)

ARMIN BRUNNER, DER AUSSENSEITER
Roland Zag (München, 1998)

DAS SOFA IM PARK
Curt Truninger (1990)

TRADITION UND NEULAND
Interview mit Andrea Meuli (Musik&Theater)

IM INNERN DES KUNSTWERKS
Von Peter Schwaar (1995)

Dietrich Schwarzkopf

WIDERSPRUCH UND ZUSPRUCH
Aus der Laudatio auf Armin Brunner zur Verleihung des „Europäischen Medien-und Kommunikationspreises“ am 27. November 1993 in Zürich

Mit Armin Brunners Arbeit und mit deren Besonderheit mit seiner Sichtweise, seiner Haltung, seiner Art und Weise, an Menschen und Kunstwerke und Sachverhalte heranzugehen und mit ihnen umzugehen, bin ich zuerst in Berührung gekommen durch die Sendereihe „Musikalische Begegnungen“. Sie war eine gemeinschaftliche Unternehmung der SRG mit dem ORF und mit der ARD, deren Programmdirektor ich war. „Musikalische Begegnungen“ – das klang heiter, harmlos, nicht ohne Anspruch, eigentlich sehr herkömmlich, vermutlich eben ganz unterhaltsame Kultur. Es war dann etwas ganz und gar anderes, eine auf Herausforderung und Widerspruch angelegte Reihe höchst engagierten, nicht selten zornigen Predigten von Laien oder als kritisch bekannten Theologen, quergestellt, quergestemmt gegen klassische Musik von grosser Erhabenheit. In Gotteshäusern fand das statt. Eine Buchausgabe trug später den treffenden Untertitel „Widerborstige Meditationen“. Die Meditations-Kombinationen waren etwa Dorothee Sölle zu Bachs Johannes-Passion, Wolfgang Hildesheimer zu Mozarts Requiem, Günter Wallraff zu Haydns Schöpfung, Luise Rinser zu Bachs Magnifikat, Hans Küng zu Mozarts Krönungsmesse, Margarete Mitscherlich zu Mahlers Kindertotenliedern.

 

 




 
   
Dorothee Sölle Günter Wallraff Luise Rinser Hans Küng
Dorothee Sölle Günter Wallraff Luise Rinser Hans Küng
 
   

Die Genannten kommen ja im Fernsehen keineswegs selten vor. Als Orthodoxie-Kritiker sind sie bei Fernsehredakteuren beliebt, von den politischen Magazinen bis zu den Religions-Sendungen, und einige von ihnen gehören zur personellen Grundausstattung der Überfülle von Talk-Shows. Was sie zu sagen haben, ist nicht unbekannt. Und doch gewannen diese „widerborstigen Meditationen“ durch die Gegenüberstellung mit der grossen Musik und ihren Texten eine neue Dimension, eine frische Wucht, den Charakter eines schärferen Widerspruchs. Routine und Ritual schaden der Zelebrierung des Erhabenem wie dem Protest. Aber aus der neuen Gegenüberstellung gewannen beide, zumindest insoweit, als hier Ansätze und Anstösse zum Nachdenken über Aussagen der Musik und ihrer Texte wie über die Texte der Meditationen zustande kamen, die sich ohne die Gegenüberstellung nicht eingestellt hätten, wohl deswegen schon nicht, weil die Formeln des Protestes fast noch vertrauter waren als die Texte der Musikstücke. Da verschlug es dann auch nichts, dass bei Wallraff die Sänger wie er demonstrativ keinen Schlips trugen, obwohl man da schon wieder dicht an einem sansculotischen Ritual war.

Mir ist an dieser Sendereihe, auch wenn sie in der eindrucksvollen Fülle und Vielfalt von Armin Brunners Leistungen wohl nicht an erster Stelle genannt werden muss, klar geworden, wie sehr seine Arbeit angelegt ist auf Spruch und Widerspruch, Darstellung und Gegendarstellung, nicht mit dem Ziel, Ausgewogenheiten und Neutralisierungen zu erreichen, freilich auch nicht die Standard-Provokation, sondern in der Absicht, durch ungewöhnliche, unvertraute, überraschende und verblüffende Kombinationen neue Sichtweisen, Einblicke, Einsichten, Erkenntnisse oder vielleicht auch nur Eindrücke zu gewinnen. Einladungen also an den Fernsehzuschauer, sich mit dem Dargebotenen auseinanderzusetzen und dabei seine Aufnahme- und Vergleichsmöglichkeit, seine Phantasie, seine Urteils- und Argumentations-kraft zu aktivieren. Das hilft verstehen, hilft auch und gerade Musik verstehen.
 
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