Der Psychoanalytiker und Schriftsteller Jürg Acklin an Armin Brunner
LIEBER ARMIN
Wo bist Du eigentlich gelandet mit Deinem Ressort „Musik und Ballett“ bei der letzten fernsehinternen Umstrukturierung? Bei der Unterhaltung oder beim Sport?
Aber es ist ja alles einerlei bei diesem gestylten Eintopf der biederen Fröhlichkeit: Musik macht Spass und beim Ballett kommen die Leute ins Schwitzen, ist ohnehin alles Hans was Heiri, wenn’s nur die Werbung nicht stört, oder ist die Werbung das Programm?
Wo andere vor lauter Mimikri ihre Identität längst verloren haben und als Kanarienvögel im Aquarium plantschen, als Frösche im Vogelkäfig flattern, schwimmst Du, lieber Armin, wie ein Fisch im Wasser und läufst selbst bei akutem Sauerstoffmangel zur Höchstform auf.
Du scheinst die Schwierigkeiten nicht nur zu suchen, Du findest sie auch: Töne an einem Medium vor allem fürs Auge, Kunst an einem Medium, wo Anspruch und Wirklichkeit deckungsgleich sind, da immer mehr das Ideal der Trivialität zum Prinzip erhoben wird auf der blindwütigen Jagd nach Einschaltquoten, immer auch die etablierte Musikwelt im Nacken, aber Du machst unverdrossen weiter, ja es scheint dir sogar Spass zu machen, wenn Du zusammen mit Adrian Marthaler neue Schandtaten ausheckst, mit jugendlichem Elan durch die elektronische Bilderwelt frevelst, immer mit einem Augenzwinkern, ernsthaft und provokativ.
Hoch oben, aber nicht im luftleeren Raum, weithin ausstrahlend und auch wahrgenommen arbeitest Du nicht etwa als Verächter des Fernsehens, sondern Du produzierst gewissermassen aus dem Medium heraus mit den Mitteln des Mediums
TV-Kunst ganz eigener Prägung. Immer bürstest Du ironisch gegen den Strich, da fallen oft Haare aus, aber es knistert, oft entsteht ein richtiges Feuerwerk, und alle schreien mit im Chor ah und oh und oh und ah.
Doch Deine Erfolge, Deine inzwischen zahllosen internationalen Preise fallen Dir nicht einfach in den Schoss, zwar sieht vielleicht manches so leicht aus, aber ich weiss, was für ein disziplinierter Arbeiter, äusserst loyaler Chef und zuverlässiger Freund Du bist. Da die Schwierigkeiten noch zunehmen werden, können wir alle hoffen, in Zukunft von Dir wertvolle Schandtaten geschenkt zu bekommen.
1. November 1993 |