Gestaltung
HOME BIOGRAPHIE INTERVIEWS KONZEPTE ANLÄSSE TV/FILM/THEATER AKTUELLES TEXTE KONTAKT
 
  Interviews


KREATIVITÄT IST EIN GESCHENK
von Dominique Bühler, Zolliker Bote, 20159

PHÖNIXGLEICHES WESEN
Interview in «Musik&Theater», Sept. '08

INTERVIEW
mit Rolf Urs Ringger

ZUSTIMMUNG UND KRITIK
Zum Goethe-Geburtstag
(Frankfurt a.M., 28. August 1999)

WIDERSPRUCH UND ZUSPRUCH
Dietrich Schwarzkopf

WO BIST DU GELANDET?
Von Jürg Acklin (1993)

ARMIN BRUNNER, DER AUSSENSEITER
Roland Zag (München, 1998)

DAS SOFA IM PARK
Curt Truninger (1990)

TRADITION UND NEULAND
Interview mit Andrea Meuli (Musik&Theater)

IM INNERN DES KUNSTWERKS
Von Peter Schwaar (1995)
PHÖNIXGLEICHES WESEN (als PDF, 800KB)
Interview mit Andrea Meuli in «Musik&Theater», Sept. '08


Armin Brunner, bei der Gründung der Klubhaus-Konzerte vor 60 Jahren war von «Recreation des Gemüths» als einer Zielvorgabe für diese neue Konzertreihe die Rede. Welche Bedeutung hat diese noch heute?

Armin Brunner:
Ich weiss wirklich nicht, wie viele Leute den Konzertsaal aufsuchen, um ihren Gemütszustand wieder aufzurüsten. Für die Pflege des (beschädigten) Gemüts gibt es heute unendlich viel mehr Möglichkeiten als zur Zeit des Kalten Kriegs Ende der 40er Jahre ...


M&T:
Kann Musik die Zeit jugendlicher überleben als andere Kulturformen? Immerhin präsentieren sich die Klubhauskonzerte noch immer keineswegs angegraut – obwohl sich das Umfeld heute ganz anders präsentiert als damals.

Armin Brunner:
Die Musik ist in der Tat «ein sonderbar Ding». Erst die Interpretation befreit sie aus dem Gefängnis einer toten Stille. In der Architektur, zb vom Zürcher Grossmünster, gibt es nur dieses eine Original, in der Musik jedoch entsteht erst unter den Händen der Musiker die Identität eines Werkes. Dieses phönixgleiche Wesen ermöglicht der Musik quasi ewig jung zu bleiben – wenn wir jetzt einmal alle Wenn und Aber ausklammern.


M&T:
Was fasziniert Sie als Musiker am Programmieren von Konzerten?

Armin Brunner:
Der Begriff «Programmieren» hat natürlich nichts mit der Computertechnik zu tun.
«Programmgestalten» ist das eine, das «Vermitteln von Musik» das andere, aber es gehört beides zusammen.

Keine Präsentationsform ist so ritualisiert, so unverbindlich und unzeitgemäss wie das öffentliche Sinfonie- und Kammerkonzert. In Stil und Inhalt entspricht es den Wahr-nehmungsgepflogenheiten von vor 100 Jahren.

Nur der Konzertsaal glaubt bis anhin, über den wichtigen Brückenbau zwischen Musik und Musikhörern nicht nachdenken zu müssen. Jetzt aber, wo das Konzertpublikum allmählich Mangelware wird, werden in aller Eile (und meist unüberlegt) Fusionen angestrengt:

Cross-Over nennt man das, wo dann alle im falschen Film sitzen. Oder man spielt Musik in Kohleschächten, Scheunen, Helikoptern, organisiert Musikveranstaltungen mit gastronomischen Beilagen etc.

Und wenn’s ganz gediegen sein muss, durchsetzt man Klaviermusik von Schumann mit Lesungen von Eichendorff -und Heine-Gedichten.

Wenn man auf «Teufel komm raus» die Musik auf die Eventschiene schiebt, wird die Musik dabei beschädigt. .


M&T:
In dieser Jubiläumssaison lassen Sie das Publikum – genauer: Ihre Abonnenten – über ein Konzertprogramm abstimmen. Wie demokratisch kann und soll die Musikszene sein?

Armin Brunner:
Plebiszitäre Konzertprogramme sind nicht durchführbar, weil die Gestaltungsmöglichkeiten ganz einfach zu eingeschränkt sind.

Über dem Konzept des «Mitbestimmungskonzerts» am Ende der Klubhaus-Saison schwebt natürlich ein Hauch von Ironie. Dass ich den Charme aber zugleich auch die Grenzen einer musikalischen «Urabstimmung» aufzeigen möchte, ist Inhalt dieser Idee. Aber ich kann das nicht im Voraus alles offen auf den Tisch legen, sonst verpufft die Pointe.


M&T:
Wo beginnt die Gefahr eines belehrenden Zeigefingers – und damit der Hemmung von sinnlich erfahrbarer Lust in einem Programm?

Armin Brunner:
Heikel ist es immer, die Leute im Konzert belehren zu wollen. Wer belehrt werden will, geht in die Klubschule, nicht ins Klubhaus.

Man muss sich vor Augen halten: «Musik kann, im Unterschied zu sprachlichen Gebilden, wirksam sein, ohne verstanden zu werden.» (Dahlhaus)

Mit dem belehrenden Finger oder dem Zeigestock verstimmen wir sehr rasch die Zuhörerschaft.

Warum sind die Klubhaus-Vorkonzerte «Zauber des Augenblicks» wirkliche Bestseller geworden? Weil wir darin nie von verminderten Septakkorden reden, sondern davon, dass zb das Kunstwerk nicht plötzlich vom Himmel gefallen ist, einfach so.

Dass die scheinbar schwerelose, sorglose Musik eher selten mit leichter und lockerer Hand in glücklichen Stunden niedergeschrieben wurde, sondern oft belastet war von privaten Ängsten und Hoffnungen, begleitet und beschmutzt von bissiger Kritik usf.

Wer misstrauisch ist, lese bei Goethe nach: »Nichts interessiert Menschen mehr, als intime Briefe und Tagebucheintragungen, selbst abgestorbener Menschen.»


M&T:
Wie weit soll man dem Publikum jeweils entgegenkommen und ihm ein Wunschmenü servieren? (Radikale Avantgarde war und ist ja nie angestrebt worden mit den Klubhaus-Konzerten.)

Armin Brunner:
Man muss wissen, wie weit man zu weit gehen kann!
Ein Publikum, das unterfordert wird, rebelliert. «Wir besuchen ein philharmonisches Konzert, keinen musikalischen Volksgarten», u.ä. heisst es dann.

Und in der anderen Richtung? Ich stelle fest, dass das Konzertpublikum in Bezug auf klangliche Härten und eine gewisse Kompliziertheit der Klänge wesentlich wehleidiger geworden ist als noch vor dreissig Jahren.


M&T:
Oder umgekehrt gefragt: Wie sehr sind programmatische Widerhaken gewünscht oder vielleicht sogar notwendig, um eine lebendige Entwicklung zu ermöglichen?

Armin Brunner:
Der «Widerhaken» wird nicht von allen rund 1000 Personen in einem Klubhauskonzert einheitlich als «Widerhaken» eingestuft.


M&T:
Nach dieser Saison, Ihrer zehnten, hören Sie auf mit der Leitung der Klubhauskonzerte. Sind Sie an der Aufgabe müde geworden oder reizen neue Perspektiven?

Armin Brunner:
Ursprünglich hat mich Jana Caniga (damals Chefin der Direktion Kultur + Soziales beim MGB) nur für eine Saison und eine «Betriebsanalyse» engagiert. Daraus sind 10 Jahre geworden ...


M&T:
Ihr Anliegen war es stets, inhaltliche Brücken zu schlagen, Verklammerungen und Entwicklungen aufzuzeigen. Sind Sie mit dem Erreichten zufrieden?

Armin Brunner:
Wie würden Sie mich wohl angucken, wenn ich einfach Ja sagte?
Ich meine es ohne resignativen Unterton: vieles, was mir wichtig war, haben die (vor allem berühmten) Interpreten verhindert. Musiker sind gewohnt, jede noch so geringste Kleinigkeit im Notentext streng zu beachten und zu befolgen. Wehe dem, der das unterlässt! Das prägt die Gesamtpersönlichkeit. Musiker stehen ihrem Wesen nach näher beim Schriftgelehrten und Oberpriester (ich habe nicht gesagt: Pharisäer!) als zb. Regisseure oder Choreographen, die ja auch «die Schrift» auslegen.

Mit Regisseuren kann man durchaus mal Pferde stehlen, mit Musikern ist das erheblich schwieriger.


M&T:
Wie sehen die Klubhauskonzerte in zehn oder gar fünfzig Jahren aus?

Armin Brunner:
Keine Ahnung, auch keine Vermutung. Erstes kommt es anders, und zweitens als man denkt.


M&T:
Gibt es den finanziellen Spielraum für Visionen – oder zumindest für hochkarätige Konzepte – noch, um die Reihe auch in Zukunft attraktiv zu halten und im reich befrachteten Veranstaltungskalender nicht unterzugehen, respektive als überflüssig übergangen zu werden?

Armin Brunner:
Diese Frage muss ich an meinen Nachfolger weitergeben.


M&T:
Wird es auch noch ein Publikum dafür geben?

Armin Brunner:
Weiss ich auch nicht. Aber Vorsicht mit Prognosen. Wie oft ist zb die Oper in den letzten 60 Jahren totgesagt worden?!

Im Gegensatz zur Gründungszeit der Klubhaus-Konzerte haben wir heute eine kaum mehr überblickbare Zahl an unerhört guten, starken und hochbegabten Interpreten und ... ein schwindendes Publikum. Was junge und allerjüngste Musiker – vorab Streichquartette – an Können und Gestaltungsreife aufs Podium bringen, ist unfassbar. Hochleistung ohne Aussicht auf Boni. Und der Platz auf den (internationalen) Podesten ist knapp geworden, trotz der Globalisierung.

Richtige Sorgen bereitet mir aber eigentlich das (künftige) Publikum, das in den Konzertsälen nachrücken müsste.

Hand aufs Herz: es fehlt ein Publikum, das der anspruchsvollen Musik gewachsen ist. Ein Publikum, das in der Musik mehr erkennt als ein zusätzliches und gelegentlich prestigeträchtiges Wellness-Angebot zu all den bereits vorhandenen.
Der circulus vitiosus ist fatal: die kostenintensiven Kulturinstrumente (nicht zuletzt die philharmonischen Orchester) bleiben nur solange am Leben, als der Konzertbetrieb intakt ist.
Die (traditionelle und anspruchsvolle) Musik hat den Übergang vom (Bildungs-)Bürgertum zur gegenwärtigen Steigerungsgesellschaft mit ihren kurzen Trendzyklen ganz einfach noch nicht geschafft ...


M&T:
Wird man künftig vermehrt den Musiker Armin Brunner erleben?

Armin Brunner:
Um in der Sprache der Manager zu reden: die Auftragsbücher sind voll.

Und wenn die Zeit reicht, dann werde ich wieder einmal einen grossen Stummfilm-Klassiker «musikalisieren», dh. vertonen.

 
  ZURÜCK     SEITENANFANG     DRUCKEN